Gesundheitswesen in Kolumbien

27.11.2018

Habe jetzt tatsächlich Muse, die alltäglichen Begebenheiten in Barichara (und somit auch in Kolumbien) zu beobachten und zu kommentieren. Letzte Woche bin ich mit meiner Nachbarin Yolanda in die "Stadt" San Gil (ca. 45'000 Einwohner) gefahren. Ich musste meine Grundvorräte - nein nicht Lebensmittel, sondern Hygiene- und Kosmetikartikel - neu bestücken! Also ging es um 9.00 Uhr früh mit dem Bus los, die 22 km Strecke nach San Gil zu bewältigen. Nur so zur Info: es fährt alle halbe Stunde ein Bus von Barichara nach San Gil; kostet sage und schreibe CHF 3.00 Hin- und Rückfahrt! Yolanda hat mich gerne begleitet, da sie sich in den 3 Einkaufscentren von San Gil bestens auskennt. Gleichzeitig wollte sie ihre Krankenkasse wechseln. Auf der halbstündigen Busfahrt hat Yolanda mich über die Krankenversicherung in Kolumbien informiert. Da ich ja in der CH in einer nahen verwandten Versicherung gearbeitet habe, war ich sehr gespannt, wie die gesundheitliche Versorgung in Kolumbien so abläuft. 
Wie in der CH, ist in Kolumbien die Krankenversicherung obligatorisch. Will heissen, jeder Kolumbianer (Ausländer mit Wohnsitz nicht inbegriffen), muss eine Krankenversicherung haben. Die Grundversicherung kann bei diversen privaten, halbstaatlichen oder bei der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen werden. Die Prämien für die Grundversicherung ist verschieden und wird je nach Einkommen und Wohnsitz (je nach Gemeinde städtisch, halbstädtisch und ländlich) festgesetzt. Wer die Prämien nicht bezahlen kann, erhält - ähnlich wie in der CH - Subventionen, damit die Prämie bei der staatlichen Versicherung bezahlt werden kann. 
Jeder Versicherer (oder Krankenkasse) bietet in der Grundversicherung nur das Prepermiso-System an. Bevor eine Behandlung durchgeführt wird, muss der Versicherte bei einem der Gesundheitszentren der Krankenkasse ein "Okay" einholen. Also eine Routineuntersuchung, falls diese über die Krankenversicherung laufen soll, muss im Gesundheitszentrum abgesegnet werden. Mit der Bewilligung wird der zuständige Arzt bekannt gegeben (keine freie Arztwahl möglich). Rezepte für Medikamente werden vom Arzt den Krankenversicherern zugestellt, welche die Medikamente bei der Firma ihres Vertrauens kaufen (vielleicht der Grund, warum die Medis hier in Kolumbien - auch unter Berücksichtigung des Mindestlohns - soooo viel billiger sind als in der CH?). Die Medis können dann meist in den Apotheken oder im Gesundheitszentrum abgeholt werden. Liegt ein Notfall vor, dann wird der Patient in eine Klinik gebracht, welche vom Krankenversicherer anerkannt ist. Bis auf einen Selbstbehalt, sind die Kosten gedeckt. Störend hierbei ist, dass ein staatlich versicherter Notfallpatient eben nicht ins nächstgelegene Spital gebracht wird, wenn dieses ein privates oder halbprivates Spital ist bzw. die staatliche Krankenversicherung nicht mit diesem Spital zusammenarbeitet und somit die anfallenden Kosten decken würde. 
In den Metropolen Bogotà, Medellìn, Cartagena, Baranquilla usw. stehen ausgezeichnete Ärzte und Kliniken zur Verfügung. Voraussetzung ist es, dass die gewählte Krankenversicherung mit diesen zusammenarbeitet. Die meisten Menschen in Kolumbien, können sich eine solche - private oder halbprivate - Krankenversicherung auch mit Subventionen nicht leisten und begnügen sich meist mit der staatlichen Grundversicherung. Diese ärztliche Versorgung ist sicher nicht schlecht, aber wer besser versichert ist, kriegt schneller, bessere Behandlungen. 
Also meine Nachbarin, die hat neben der Grundversicherung eine Zusatzversicherung abgeschlossen. Sie war aber mit dem Service des jetzigen Versicherers (nennen wir mal Krankenkasse A) nicht zufrieden und wollte in San Gil zu einem anderen "halbstaatlichen" Krankenversicherer (nennen wir mal Krankenkasse B) wechseln. Sei kein Problem, sagte Yolanda, da müsse sie bei der Krankenkasse B vorsprechen und sagen, ab wann sie den Wechsel wünsche. Gesagt, getan! Ca. um 10.00 Uhr treten wir in das Gesundheitszentrum der Krankenkasse B ein. Ich staune nicht schlecht, als Yolanda - indem sie ihre ID-Nummer eingab - an einem elektronischen Schalter ihre Personalien prüfen konnte (war übrigens noch nie bei der Krankenkasse B versichert?!) und mittels Auswahlmenü online bekannt geben konnte, dass sie sich neu hier versichern will. Eigentlich hätte sie die Ticketnummer 18 erhalten sollen, aber irgendwie war ein Papierstau vorhanden. Wie auch immer, wir konnten im angenehm gekühlten Wartebereich Platz nehmen. Auf dem Ticketing-Bildschirm waren 7 Schalter ersichtlich, aber es war nicht ersichtlich, welche Nummer an welchem Schalter gerade bedient wird. Na ja, so schlimm kann es nicht werden, da neben Yolanda (und mir) nur 2 andere Menschen im Warteraum waren. Und tatsächlich, nach ca. 10 Minuten - während denen mich Yolanda weiter über die Krankenversicherung und das Gesundheitswesen Kolumbiens informierte - wurde die Nummer 18 aufgerufen. Yolanda verschwand sogleich in den hinter den Schalter ersichtlichen Büros. Hoppala! Nach nur 5 Minuten ist sie wieder bei mir. Sie müsse nun zur Krankenkasse A, dort ihre Krankenakten abholen, eine Kopie ihrer "Cedula = Wohnsitzbescheinigung oder ID-Karte) machen und diese dann hier abgeben. Meine Frage, ob es denn keine gesundheitliche Untersuchung gebe, konnte sie lächelnd (sie ist 56 Jahre alt) abwinken. Nein, nein, sei noch nie nötig gewesen. Hallo???! 
Auch bei der Krankenkasse A muss sich Yolanda wieder - mittels einem Ticketing-Terminal, so denke ich wenigstens - anmelden. Hier stehen aber schon ca. 7 Menschen im Vorraum in der Linie. Da ich ja nicht anstehen muss, darf ich mich direkt in den - wiederum gekühlten - Wartebereich begeben. Diese halbstaatliche Krankenkasse muss ja sehr beliebt sein, denke ich, in Anbetracht von 22 Schaltern und der grösseren Warteschlange im Vorraum. Und hier funktionieren sogar die Bildschirme mit der Anzeige der freien Schalter. Nach ca. 15 Minuten setzt sich Yolanda neben mich und ist schon etwas genervt. Sie zeigt mir ihre Nummer A025 (A = Administrativo), welche, wie ich schmunzelnd feststelle, handgeschrieben auf einem kleinen Zettel notiert wurde. Der Bildschirm zeigt an, dass A024 soeben an Schalter 15 bedient wird. Gut, sagt Yolanda, dass dauert dann nicht mehr so lang, bis ich meine Akten bestellen kann. Denkste! Nach ca. 15 Minuten steht der Herr mit Nr. A024 auf und macht sich von dannen. Aber anstelle der A025 blinkt Schalter 15 "rot" auf. Entsetzt sieht mich Yolanda an und stellt die Dame zur Rede. Vom hitzigen Dialog bekomme ich nicht viel mit, aber der total genervte Gesichtsausdruck von Yolanda zeigt mir an, dass sie bzw. wir weiterhin warten müssen. Die Dame mache jetzt eine Pause und Yolanda solle doch weiter warten. Nach weiteren 10 Minuten wird Nummer A025 dann endlich zu Schalter 3 gerufen und nach nur 5 Minuten ist Yolanda mit einem weiteren Zettel ausgerüstet, der sie an den Schalter 22 verweist, wo die Krankenakten usw. ausgedruckt und in einem Kuvert verpackt, abgeholt werden können. Uff, geschafft! Nachdem wir ein paar Blocks zur nächsten Papeterie gelaufen sind und die verlangte Kopie der Cedula erstellt wurde, machen wir uns - in der Mittagshitze - auf den Weg zur Krankenkasse B. Dort wieder das bekannte Prozedere mit ID-Nummer eingeben. Der Papierstau wurde in der Zwischenzeit übrigens nicht behoben! Bei dieser Krankenkasse (wie gesagt auch eine halbstaatliche) warten wir erneut ca. 10 Minuten, bevor Yolanda wiederum in den hinteren Büros verschwinden darf. Mit hochrotem Kopf und jetzt entnervt, tritt sie 5 Minuten später zu mir. Die Dame, übrigens dieselbe wie vor 1,5 Stunden, habe ihr leider mitteilen müssen, dass das Formular für den Kassenwechsel leider im Moment nicht vorhanden sei! Yolanda dürfe aber gerne, die nächste Woche wiederkommen. Falls dies nicht möglich sei, dann dürfe sie auch gerne "online" das Formular ausfüllen und die Unterlagen eingescannt zustellen! Ach, Yolanda wusstest Du dies nicht? Schmunzel.