Zahnbehandlungen während Corona
Meine Hoffnungen, dass auch in Kolumbien die strenge Quarantäne
- verbunden mit einer Ausgangs- und Reisesperre - Ende Mai aufgehoben werden,
haben sich leider nicht erfüllt. Die Quarantäne wurde nochmals um einen Monat,
auf Ende Juni, verlängert. Einerseits verständlich, da der Hotspot sich leider nach
Lateinamerika verschoben hat. Die letzten Tage wurden immer über 1000
Neuinfizierte pro Tag gezählt, so dass heute über 31'000 Infizierte und über
1000 Tote zu beklagen sind. Andererseits empfinde ich das Eingesperrt-Sein mehr
und mehr als Belastung. Gerne würde ich Bogota für eine Auszeit verlassen und
in wärmere, sonnigere Gefilde reisen. Aber dann denke ich wieder: «Dir geht es
hier eigentlich Bestens! Hör auf zu Jammern! Der grossen Mehrheit der
Kolumbianer geht es richtig besch......!»
Ob es an dem Quarantäne-Koller lag, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, aber
anfangs letzter Woche litt ich unter Zahnschmerzen. Einer meiner Eckzähne hatte
beschlossen, sich an der Wurzel zu entzünden. Ausgerechnet in der Quarantäne!
Blieb mir derweil nichts anderes übrig, als in der Zahnklinik anzurufen und um für einen Notfalltermin nachzufragen. Per Telefon konnte ich der Rezeptionistin
mein Anliegen bzw. Problem schildern und wurde darauf hin angewiesen, per Web
eine Terminanfrage einzureichen. Gesagt, getan! Postwendend erhielt ich einen Anruf
aus der Klinik (war mir nicht ganz sicher, ob es die gleiche Dame wie zehn Minuten
vorher war?!?). Telefonisch musste ich 16 Fragen beantworten, welche sich um meinen
Gesundheitszustand (unabhängig vom Zahnweh) drehten. Nein, so viel ich weiss,
habe ich den Virus nicht. Nein, die letzten 14 Tage hatte ich weder
Atemprobleme, Lungenschmerzen, Fieber oder sonstige Krankheits-Symptome! Ich
fühle mich auch nicht krank, nein! Nein, ich arbeite nicht im Gesundheitsbereich
und nein, ich wohne nicht mit erkrankten Personen im gleichen Haushalt! Und so
weiter.........
Als ich die Fragen - wie gewünscht, immer mit Ja bzw. Nein - beantwortet hatte,
erhielt ich per Mail einen «Permiso» (Bewilligung) für den Gang in die Klinik.
Am nächsten Morgen war es endlich soweit. Habe ich schon gesagt, dass ich
Zahnarztbesuche hasse? Wirklich hasse! Mit einem mulmigen Gefühl machte ich mich, selbstverständlich
mit der geforderten Nasen-/Mund-Maske, auf zur Klinik Dentix. Also ich sage
Euch, tipptopp saubere und sehr moderne Klinik. Normalerweise zaubern die
Spezialisten hier den besserverdienenden Menschen «una nueva sonrisa», zu
Zeiten von Corona dürfen sie jedoch nur Notfallbehandlungen durchführen. Das «biosecuridad»-Protokoll
verlangt, dass nur 4 Personen im Wartebereich Platz nehmen dürfen, so dass ich
mal 10 Minuten vor dem Eingang an der Sonne stehen durfte. Endlich wurde ich
hereingelassen und wurde von Kopf bis Schuhe eingesprayt. Nützt dies
tatsächlich was? Egal. Nachdem ich mit Desinfektionsalkohol parfümiert war, wurde
mir erlaubt, an die nächste Station zu gehen. Dort wurde Fieber gemessen, Hände
desinfiziert und ein Wattebäuschli mit komischem Geschmack unter die Nase
gehalten. Alles gut. Nachdem ich nochmals die gleichen 16 Fragen betreffend
meinen Gesundheitszustand beantwortet hatte, musste ich handschriftlich
bestätigen, dass meine Antworten der Wahrheit entsprechen. Anschliessend wurde
ich zum bequemen Polstersessel Nr. 3 gebracht (Plastikstühle wären wohl eher zu
empfehlen, ging mir kurz durch den Kopf). Die vollständig eingehüllte
Rezeptionistin brachte mir nochmals zwei Dokumente zum Ausfüllen: mit dem einen
Dokument bestätigte ich, dass ich mir des Risikos einer Behandlung während
Corona bewusst bin. Mit dem Anderen stimmte ich einer Untersuchung mit Röntgen
und allfällig schmerzhaften Testen der Zahnsensibilität zu und versprach, Dentix
nicht wegen zugeführten Schmerzen zu verklagen. Ernsthaft!!
Nachdem ich weitere 15 Minuten gewartet hatte (gottlob sehr bequeme magentafarbene
Polstersessel!), wurde ich von einer Assistentin zum Röntgen gebracht. Überraschung!
Hochmoderne Röntgenanlage, wo ich, wie üblich ein Bleischutzmäntelchen umgehängt
erhielt, bevor ich entspannt das Kinn auf eine dafür vorgesehene Einrichtung
legen konnte. Keine blöden Plättli im Mund oder so! Die Kamera (oder was auch
immer) schwirrte ein paar Mal von rechts nach links und zurück. Postwendend konnte
ich meinen Kiefer bzw. Zähne auf dem grossen Bildschirm bewundern. Rasch wurde
ich in ein sehr modernes Behandlungszimmer begleitet, wo ich von Dr. Andres de «irgendöppis»
freundlich empfangen wurde. Ich wurde geheissen, die Hände zu waschen, den Mund
zu spülen (wäh!) und auf dem Stuhl Platz zu nehmen. Dr. Andres setzte mir einen
Haarschutz (?) und die Assistentin eine Schutzbrille und ein Sabberlätzchen
auf. Gegenüber der Wand war ein grosser Bildschirm mit den Röntgenbildern zu
sehen und Dr. Andres kam recht rasch (und für mich fast schmerzfrei) zum
Untersuchungsergebnis. Grundsätzlich wäre, so klärte mich Dr. Andres auf, ein «tratamiento
estetica», da Rauchen und übermässiger Kaffeegenuss Spuren hinterlassen haben,
dringend nötig, könne aber zu Zeiten von Corona nicht durchgeführt werden, was
sehr schade sei (ja schon klar señor). Was jedoch notfallmässig behandelt
werden müsse, sei eine Wurzelbehandlung beim Eckzahn, reparieren von kleinen Frakturen
(?) an der Schaufel und ein zweiter (gottlob kleiner) Kariesherd unten rechts.
In Null-Komma-Nichts hatte ich einen Kostenvoranschlag vor Augen. Etwas
überrumpelt fragte ich, ob ich den nicht nur die Wurzelbehandlung machen
könnte, da Zahnschmerzen?! Ja schon, señora, aber die Wurzelbehandlung dürfen
wir erst anfangen, wenn die Entzündung weg ist! Aha, was bedeutet dies nun für
mich? Tja, hier haben Sie ein Rezept für ein Antibiotika und Schmerzpillen und
in der Zwischenzeit machen wir noch eine Zahnreinigung und die übrigen
Behandlungen, okay? Okay! So bin ich in der Zwischenzeit schon 2 weitere Male bei
Dr. Andres gewesen und schlucke noch bis morgen die Medis (also nur die
Antibiotika, denn Schmerzen habe ich seit 3 Tagen keine mehr). Beim letzten
Termin wurden mir Zahnabdrücke genommen, damit nach erfolgter Wurzelbehandlung
eine «Krone» über den «toten» Zahn gestülpt werden kann. Sehr effizient und
professionell, finde ich. Zuerst fand ich, dass die Behandlung etwas teuer ist:
2.7 Mio. Pesos, aber umgerechnet zahle ich ca. 750 CHF für die ganzen
Behandlungen! Ich hasse Zahnbehandlungen immer noch, aber immerhin sind diese
hier - auch zu Zeiten von Corona - günstig.